Dienstag, 2. Oktober 2012

Unterschiede zwischen Indien und Deutschland




Twenty years from now you will be more disappointed by the things that you didn’t do  than by the ones you did do. So throw off the bowlines. Sail away from the safe harbor. Catch the trade winds in your sails. Explore. Dream. Discover.
(Mark Twain)

Der Spruch, den mir zwei sehr gute Freunde in mein Abschiedsbuch geschrieben haben, hilft mir hier über so manche schwierige Zeit hinweg. Ich bin mir immer noch sicher, dass es das Richtige war, dass ich nach Indien gekommen bin und die vielen Erfahrungen hier bestätigen das nur.    
Ich dachte mir, dass es für euch vielleicht mal ganz interessant wär über so einige Unterschiede zwischen Indien und Deutschland zu hörn, die mir bisher aufgefallen sind. Ich geb mir Mühe an alles zu denken – is gar nicht so einfach, vieles ist für uns hier doch schon zur Gewohnheit geworden!  

Zu Beginn mal das wahrscheinlich bekannteste Beispiel: Das Kopfwackeln :)
Jaa es stimmt! Hier in Indien wird nicht genickt, sondern mit dem Kopf gewackelt. Das reicht, je nach persönlicher Vorliebe, von einem kleinen Zucken bis zu einem heftigen hin und her schaukeln des Kopfes, oft begleitet von einem kurzen OK (aber nicht „Okay“! damit verarscht uns Father James nämlich immer.. okaaaaay :D). Um ein Nein auszudrücken wird, wie bei uns auch mit dem Kopf geschüttelt oder einmal kurz gezuckt und dabei mit der Zunge geschnalzt.
Man sieht, es ist eigentlich gar nicht soo schwer, aber am Anfang mussten wir doch noch oft nachfragen, was genau jetzt gemeint ist. Inzwischen haben wir uns schon so dran gewohnt, dass wir uns manchmal selbst dabei ertappen, wie wir leicht mit dem Kopf wackeln, wenn wir mit Indern reden :D

Eine weitere Auffälligkeit ist, dass in Indien die linke Hand als unrein gilt (auch davon dürften schon viele gehört haben). Klopapier ist hier nur sehr wenig verbreitet und so stehen dafür in den meisten Toiletten ein großer und kleiner Eimer mit Wasser zur Verfügung .. Ich denk ich bleib aber trotzde noch bei der üblichen westlichen Methode ;)
Allerdings ist es daher klar, dass hier nur mit der rechten Hand gegessen wird. Und an das mit den Händen essen ham wir uns schnell gewöhnt! Ist bei dem vielen Fisch eh viel einfacher.. Als es gestern bei einem benachbarten Konvent Messer und Gabel  beim Essen gab, warn Theresa und ich erstmal völlig irritiert und wussten nicht wirklich, wie wir damit essen solln :D Die Fathers haben uns total ausgelacht (wir müssen wohl etwas verwirrt geschaut haben) und wir haben dann doch lieber mit den Händen gegessen.

Das Essen ist hier auf alle Fälle ganz anders gewürzt, als in Deutschland! Es ist eigentlich immer scharf, auch das Frühstück. Ich glaube wir ham uns mittlerweile schon ziemlich dran gewöhnt, aber es ist schwierig, das ohne Vergleichsmöglichkeiten festzustellen.. unser erster Besuch muss dann als Versuchsopfer dran glauben! Auf alle Fälle haben wir letztens unsre Pizza nicht nur mit Oregano, sondern auch mit Chillipulver gewürzt, und es war mega lecker  :D
Wenn das Essen nicht grad super spicy (das wichtigste Wort hier) ist, dann ist es papp süß! Im Tee, Kaffee, Kuchen und allen andren Süßigkeiten ist mindestens die doppelte Menge an Zucker drinnen. Da kann es schon vorkommen, dass man sich beim Sprite wundert: hää in Deutschland war des irgendwie süßer.. 

Hier in Indien wird Privatsphäre auch nicht so groß geschrieben, wie das in Deutschland der Fall ist. Wenn man in einem Zugabteil oder am Strand ein bisschen abseits sitzt, setzt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit eine indische Familie 1 Meter neben dich, du könntest ja einsam sein! Gerne fragen sie dich auch über deine Herkunft, deinen Namen (ooh good name!) und alles andre aus, oder sie rufen dir quer über die Straße ein „Hi! How are you?“ zu (eine Antwort darauf erwarten sie gar nicht). Man sieht auch bei den meisten Häusern hier in der Umgebung immer die Türen offenstehn . Man kann den Leuten dann quasi ins Wohnzimmer schaun :)

Was ganz klar ein Unterschied zwischen Indien und Deutschland ist, ist der Umgang mit der Zeit! Theresa und ich reden schon immer von einer Uhrzeit als Indien-Time oder German-Time (je nach dem mit welchen Menschen man zu tun hat). Bei den Indern geht’s eben meistens etwas gemütlicher zu und es stört niemanden, wenn man in der Kirche 20 Minuten zu spät kommt.. immerhin kommt man! 

Auch mit der Vorausplanung haben es die Menschen hier nicht so. Da kann es schon vorkommen, dass wir 5 Minuten vor dem Beginn der Playschool von den Fathers nebenbei erfahren, dass diese heute ausfällt (sowas kann allerdings auch ziemlich nervig sein!). Auch dir Planungen von irgendwelchen Festen ist immer ziemlich spontan und die Kinder proben ihre Auftritte höchstens eine Woche lang – Sie klappen meistens trotzdem! Bei uns in Deutschland würde man da mindestens 3 Monate davor beginnen :D

Wenn man durch Fort Kochi schlendert sieht man oft erwachsene Männer, die sich an den Händen halten. Auch unsre Jungs im Boys Home haben oft mal den Kopf am Schoß des andren oder an dessen Schulter liegen. Was bei uns in Deutschland sofort mit „Schwul!“ beschimpft werden würde ist hier völlig normal. Es ist ein sehr ungewöhnliches Bild, aber ich finds schön :) Warum sollten Jungs das nicht dürfen?

In den letzten Wochen hat sich hier die Häufigkeit der Stromausfälle drastisch gesteigert! Das liegt daran, dass es hier zu wenig geregnet hat und deshalb an Energie gespart werden muss (keine Ahnung, wurde uns so erklärt). Nun haben wir jeden Tag in der Früh und am Abend eine halbe Stunde Stromausfall (manchmal auch öfters). Die Inder nehmen das ganz locker: Während man sich in Deutschland sofort beschweren würde, sitzt man hier halt eben ein bisschen im Dunkeln oder bei Taschenlampenlicht herum.. is ja kein Weltuntergang! Ich hatte auch schon mal Stomausfall, während ich unter der Dusche stand – macht doch nix, ich hab halt bei Kerzenschein weitergeduscht! Auch ne witzige Erfahrung :D

Was einfach völlig verschieden ist, ist das Verständnis von Höflichkeit. Nicht, dass die Inder nicht höflich sind – das sind sie auf jeden Fall- aber es gibt hier ganz alltägliche Dinge, die in Deutschland einfach unmöglich wären. Dazu gehört beispielsweise das laute Rülpsen. Es kann vorkommen, dass sich jemand mit dir normal unterhält, plötzlich ein paar Mal laut rülpst und dann einfach weiterredet, als wäre nichts geschehn. Hier wird auch oft und gern einfach auf die Straße gespuckt (da muss man schon mal zur Seite springen) und der Müll überall fallen gelassen. Das alles ist hier nicht unhöflich gemeint, sondern einfach normal..

Als wir das erste Mal Milch im Supermarkt gekauft haben, haben wir sie nachher weggeschmissen, weil sie seit 2 Wochen abgelaufen war. Inzwischen ist uns klar geworden: Das ist hier normal! Man kauft hier wirklich alles abgelaufen.. Aber es ist ja nur ein Mindesthaltbarkeitsdatum und wir sind alle hart im Nehmen! Bis jetzt war noch nix wirklich schlecht, dass wir gegessen haben und wir schaun einfach nicht mehr aufs Datum :D


So das warn die wichtigsten Sachen, glaub ich..
Ich kann nur sagen, dass es mir hier, nach einem kurzen Tief, wieder echt gut geht!
Wir machen jetzt in der Playschool jeden Morgen mit den Kleinen ein bisschen Programm. Wir haben schon die Farben mit Hilfe von Luftballons durchgenommen (this is red colour..), mit den Kids Schiffe mit ihrem Namen drauf gebastelt, mit ihnen getanzt und sie Früchte ausmalen lassen. Mit ihnen macht die Arbeit einfach unglaublich Spaß! Sie geben so viel zurück und ich freu mich jedes Mal drauf, sie alle wieder zu sehn :)

Morgen fahren Theresa und ich in Richtung Chennai (Hauptstadt des Nachbarbundesstaats Tamil Nadu). Dort treffen wir endlich wieder Natalie und Mareike, die andren beiden Freiwilligen aus unsrer Organisation, und reisen mit ihnen und Pater Francis (einem der 3 Organisatoren aus Deutschland) für ca. 9 Tage in Südindien herum.
Dazu dann aber nach der Reise mehr :)

Heut schick ich keine Fotos mit, des dauert hier immer so eeewig zum Laden.. aber dafür poste ich demnächst mal ganz viele, versprochen!

Passt auf euch auf und bleibt gesund!
Viel Glück euch allen beim Studium, in der Schule, der Arbeit und sonst auch..
Liebste Grüße aus Indien,
Lea :*

2 Kommentare:

  1. Liebe Lea, Du bist in einer anderen Welt! Ich finde es bewundernswert, wie Du das packst. Dazu gehören - klar - nicht nur die Höhen, sondern auch die Tiefen. Hoffe, Du hast jetzt erstmal schöne Erlebnisse in Südindien.
    Deine Berichte finde ich allesamt sehr interessant. Sei lieb umarmt, ich denk an Dich! Silke

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  2. Hallo Lea,
    ich bin gerade durch Zufall auf deinen Blog gestoßen und finde ihn super! :))
    Im Januar war ich auch in Indien, leider nur für ein paar Wochen, aber es war absolut super!! Mir ist auch die Sache mit dem Haltbarkeitsdatum aufgefallen und soweit ich weiß, wird das Datum der Produktion auf zb. die Chipstüten gedruckt und nicht das Verfallsdatum. Also kannst du in Ruhe weiter schlemmen! ;-)
    Wünsche dir noch eine schöne Zeit! ;-)

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